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Petrophon-2: Elektronische Klänge aus Betonziegeln, Fensterscheiben und Bratpfannen

Dieses Projekt ist ein Beispiel für den Schaltungsentwurf mit dem L-Culator: Elektromagnetische Aktoren und Sensoren.

Letzte Änderung: 2.10.2020

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Eine gusseiserne Bratpfanne - wie diese auf dem Prüfstand .hat weitaus mehr musikalische "Reserven" als man glaubt.

Sound is in everything

Das Video - einfach anklicken. Viel Spaß

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Sound is in everything ?

Musizieren kann man auf vielfältige Weise und mit allen möglichen Gegenständen. Man muß dazu kein Musiker sein. Schon durch das Anschlagen bestimmter Gegenstände: Metallfässern, Trinkgläsern, Pfannen usw. läßt sich manchmal ein harmonischer Klang erzielen. Das ist ganz elementar und war sicher schon unseren ersten musizierenden Vorfahren in der Steinzeit bekannt.

Warum aber klingen nur ganz bestimmte Gegenstände beim Anschlagen eindrucksvoll ? Weshalb klingt etwa ein Ziegelstein, ein Plastikeimer oder eine Fensterscheibe nicht besonders ?

Nun, dieser erste Eindruck von diesen simplen Gebrauchsgegenständen aus Beton- oder Plastik besteht zu Unrecht. Auch sie haben ganz spezifische muskalische Qualitäten. Das Bastelprojekt "Petrophon-2" hat dies eindrucksvoll demonstriert.

Ein ähnliches Experiment wie dieses ist der Stimmgabel-Oszillator.

Die Lösung: der elektrisch angetriebene Resonator

Alle festen Gegenstände besitzen gleich ein ganzes Spektrum von mechanischen Eigenschwingungen. Problem: diese verlieren ihre Schwingungsenergie zum größten Teil sehr schnell. Beim Anschlagen mit einem Trommelstock klingen sie daher dumpf und damit musikalisch uninteressant. Das kann man aber ändern.

Die Lösung ist einfach: man statte den betreffenden Gegenstand an zwei Stellen mit Permanentmagneten aus und montiere darunter jeweils einen Elektromagneten. Die beiden Elektromagneten verbinde man mit Ein- und Ausgang eines Audioverstärkers, am besten eines solchen mit viel Leistung. Wenn man den Lautstärkeregler nur weit genug aufdreht, wird es irgendwann eine heftig einsetzende Rückkopplung über mechanische Eigenschwingungen geben und das mit Magneten ausgestattete Teil in heftige Schwingung versetzen. Das Prinzip ist im Bild rechts gezeigt.

Das Prinzip: der schwingende Gegenstand (hier ein Stab) ist an zwei bzw. drei Punkten gelagert. An den Enden sitzen zwei starke Magnete, die in passende Spulen eintauchen. Diese werden an den Verstärker angeschlossen. Die Schwingungen erzeugen in den Spulen durch magnetische Induktion Spannungen, bzw. übt der Spulenstrom auf die Enden des Stabs Kräfte aus.

Elektromagnetische Energiezufuhr

Als Aufnehmersspule (recording coil) habe ich eine alte 220-V-Relaisspule aus einem Schaltschütz verwendet. Wichtig ist, dass der Eisenkern komplett entfernt wird. Die Spule hat genügend Windungen, damit selbst bei kleinen Schwingungsamplituden von nur wenigen µm relativ hohe Indusktionsspannungen entstehen. Der Permanentmagnet ist ein zylindrischer Neodym-Eisen-Bor Supermagnet mit 1 cm Durchmesser und 5 mm Länge, der für wenige 10 Cent im Versandhandel erhältlich ist. Dieser hier passte gerade ziemlich genau in die ebenfalls zylindrische Spulenöffnung.

Die Antriebsspule (driving coil) kommt aus dem Wasserzulauf-Magnetventil einer alten, ausgemusterten Waschmaschine. Ich habe hier den gleichen Magnettyp verwendet wie bei der Aufnehmerspule. Gegebenenfalls kann man auch zwei solche Magneten aufeinandersetzen.

Die Magneten habe ich einfach mit selbstklebender Magnettafelfolie an besonders weit ausgelenkten Punkten des Gegenstandes befestigt, den ich damit zum Schwingen bringen möchte. Hierzu wird an den jeweiligen Punkten ein etwa 2 x 2 cm großes Stück dieser etwa 50 - 100 µm dicken Eisenfolie aufgeklebt und der Magnet daraufgesetzt. Reicht zur Befestigung völlig aus.

Der Betonbalken: 80 cm lang, 8 kg schwer. Aus Feinbeton gegossen. Nach dem Ausschalen und einer weiteren Woche Trocknung werden mit Hämmerchen und Blockflöte die Eigenresonanzen und ihre Knotenpunkte bestimmt. Dort wird der Balken im Experiment später auf seinen Lagern sitzen. Dann erhält die raue Oberfläche einen glatten Überzug aus Acrylfarbe.

Zur Befestigung der Neodymmagnete werden Stücke von selbstklebender Stahlfolie verwendet. Die Magnete halten von selbst. Die Spule wird durch Unterlegen einer Holzscheibe später auf die Höhe des Magneten gebracht.


Verstärker für mechanische Resonatoren mit speziellen Einstellmöglichkeiten

Neben der Verstärkung ("Gain") kann man hier den Ruhestrom der Endstufe einstellen ("idle current adjust"). Dadurch läßt sich das Verhalten des Schwingers manipulieren:
Niedriger Ruhestrom (ca. 0-20 mA) = nichtlinearer Betrieb. Die Verstärkung wächst mit der Aussteuerung. Man kann nun den Schwinger wie ein Xylophon mit dem Schlagstock anschlagen, bzw. durch Dämpfen mit der Hand zum Schweigen bringen. Er behält dann diesen Zustand bei, ohne dass der "Gain" verändert werden muss..
Hoher Ruhrestrom (30 - 60 mA) = linearer Betrieb, Verstärkung bei zunehmender Aussteuerung konstant oder leicht abnehmend. Ideal zum Erzeugen stabiler, zeitlich konstanter Schwingungen und zur Visualisierung mittels Chladni-Figuren (siehe Video).

Dieser Verstärker ist natürlich nicht die einzige mögliche Schaltung. Ein paar mehr Schaltungsvarianten gibt es hier

Die Verstärkerschaltung

Zum Betrieb der Elektromagnete benötige ich hohe Spannungen. Außerdem traten durch Selbstinduktion Spitzen bis zu 1 kV auf. Die Auswahl der Röhrentypen PCF 82 und PL 508 als Endstufe ist an und für sich nicht kritisch. Der Glimmstabilisator 85A2 vermindert die Rückwirkung der starken Impulsströmen auf die Vorverstärkerstufen.
Der Verstärker benötigt eine zweite, negative Spannungsquelle. Habe hier zwei Labornetzgeräte für 100 V und 200 V verwendet. Aber ein Trafo mit passenden Gleichrichtern und dickem Ladeelko genügt auch.

Der Abgleich

Das Signal von der Aufnehmerspule wird vom Triodensystem der PCF 82 vorverstärkt und gelangt über das 100-k-Poti zum Steuergitter des Pentodensystems. Das Pentodensystem der PCF 82 verstärkt das Signal für die Endröhre auf 30 bis 40 Vss. Auf die Zwischenschaltung eines Koppelkondensators habe ich verzichtet. Dieser würde sich bei starker Aussteuerung durch den Gitterstrom der PL 508 aufladen und den Arbeitspunkt leistungsmindernd verschieben. Durch die Gegenkopplung zwischen der Kathode der Endröhre und dem Schirmgitter der Vorröhre konnte ich ein Wegdriften des Arbeitspunktes unterbinden.

Der Ruhestrom der PL 508 wird am Stellpoti im Katodenkreis der PCF 82 eingestellt ("idle current adjust"). Ein Amperemeter in der Anodenleitung ist zweckmäßig.

Schaltungsaufbau mittels Steckbrett

Hier noch ein Foto vom Steckbrett-Aufbau des Verstärkers. Habe größtenteils Bauelemente aus einem alten Kosmos-Experimentierkasten wiederverwendet. Die Bauteile habe ich mit Klebeband auf einem ausreichend großen Holzbrett befestigt und mit isoliertem Schaltdraht verbunden. Auch ein Elektronik-Klemmbrett ist da nützlich, um zusätzliche Bauteile unterzubringen.


Noch ein Hinweis zum Schluß: Ein gewisser Lärmpegel ist hier nun einmal nicht zu vermeiden. Meine Versuche waren zwar nicht ohrenbetäubend laut (Mag sein, die Eisenpfanne dröhnte etwas). Aber die Vibrationen verbreiten sich leicht durch Wände und Decken. Wenn Sie längere Versuche planen, schenken Sie Ihrem Wohnungsnachbarn eine Kinokarte !

Eigenschwingungen eines Betonziegels

Der schwere Betonziegel links im Bild hat mehrere verschiedene Biegeschwingungens-Moden. Die niedrigsten Frequenzen liegen bei 270, 475 und 722 Hz. Je nach Position der Magnete, der Auflager und der Polung der Spulen können verschiedene Schwingungsformen angeregt werden. Die folgende Skizze zeigt die Auslenkung in den verschiedenen Biegemoden:

An einer Glasscheibe konnte ich Schwingungsfrequenzen zwischen 10 Hz und etwa 1,5 kHz anregen. Teilweise so heftig, dass ich die Gegenstände über den Tisch "gewandert" sind. Durch bestreuen der Gegenstände mit feinem Sand oder Salz lassen sich Chladnische Klangfiguren sichtbar machen: durch die Vibration werden die Körner in die Schwingungsknoten befördert, wo sie je nach Art der Schwingung typische Muster bilden (siehe Video)

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